Neubau 2012
Rekonstruktion der Oehninger-Orgel von 1696 im Jahre 2012
Dispostition:
Hauptwerk (M III), C, D…c“‘ | ||
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Principal | 8′ | C-B vermutlich Krell, Prospekt, Zinn |
Quintatön | 16′ | Blei |
Gedact | 8′ | Blei, weite Mensur |
Octave | 4′ | Prospekt, Zinn, weitgehend erhalten. Diskant doppelt |
Quinte | 2 2/3′ | Metall, Principalquinte |
Octave | 2′ | Metall |
Superquinte | 1 1/3′ | Blei, konisch, sehr weite Mensur |
Mixtur | 4-5 f. 2′ | Metall |
Cymbel | 3 f. 1/2′ | Metall |
Cornett | 4 f. | Blei, beginnt auf c‘ |
Trompete | 8′ | Holzköpfe, Messingkehlen, Zinnbecher |
Oberwerk (M II), C, D…c“‘ | ||
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Principal | 4′ | Prospekt, Zinn, weitgehend erhalten |
Spitzflöte | 8′ | Metall |
Gamba | 8′ | Zinn |
Quintatön | 8′ | Metall |
Gedact | 4′ | Blei |
Octave | 2′ | Metall |
Nachtfloete | 2′ | Blei, konisch, sehr weite Mensur |
Sesquialter | 2 f. | Metall |
Mixtur | 3 f. | Metall |
Rückpositiv (M I), C, D…c“‘ | ||
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Principal | 4′ | Prospekt, Zinn, überwiegend erhalten |
Salicional | 8′ | Zinn, barocke Bauform |
Rohrflöte | 8′ | Blei |
Flaute | 4′ | Birnbaumholz, ab c‘ überblasend (Flöt travers) |
Octave | 2′ | Metall |
Quinte | 1 1/3′ | Metall, enge Mensur |
Cornett | 3 f. | Metall, auf C beginnend |
Mixtur | 3 f. 1′ | Metall |
Cymbel | 2 f. 1/4′ | Metall |
Kanaltremulant |
Pedal, C, D…c‘ | ||
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Principalbaß | 16′ | C,D…c° Prospekt, Holzpfeifen wie Metallpfeifen ausgeformt, mit Blattsilber belegt,Labien mit Fratzen verziert |
Octavbaß | 8′ | Holz (Kiefer) |
Quinta | 5 1/3′ | Blei |
Superoctave | 4′ | Metall |
Mixtur | 4 f. | Metall |
Posaune | 16′ | Holzbecher, belederte Bleikehlen |
* Schiebekoppel HW-OW
* Koppel RP-Pedal
* Stimmtonhöhe: 462,5 Hz bei 15°C
* Stimmtemperatur: modifiziert Mitteltönig
Es ist schon eine kleine Sensation, wenn man als Ausgangspunkt für einen Orgelneubau ein über 300 Jahre altes Gehäuse vorfindet, in welchem noch die originalen Prospektpfeifen erhalten sind. Selbst gut erhaltene Orgelwerke aus alter Zeit wurden im 1. Weltkrieg ihrer Frontpfeifen zur Rohstoffgewinnung beraubt und wo nicht, sind die Pfeifen doch immer wieder umgestimmt und oft auch klanglich verändert worden.
Als wir die Originalpfeifen in Worbis untersuchten und die Tonhöhen der einzelnen Pfeifen exakt abnahmen offenbarte sich, daß hier ein mitteltöniges Stimmsystem erhalten geblieben ist, welches man sonst fast nur in schriftlichen Quellen überliefert findet. Zur Zeit J.S. Bachs bereits umstritten und dann als veraltet geltend, hat es in dieser Orgel selbst das 19. Jhd. überdauert. Durch den dann um 1905 erfolgten Neubau einer pneumatischen Orgel blieben die Pfeifen als stumme Fassade unverändert erhalten.
Ein solcher Fall dürfte in Deutschland ziemlich einmalig sein, zumal hier vier Reihen aus den verschiedenen Teilwerken das Interpolieren von kleinen Abweichungen zuließen.
Damit und in Zusammenhang mit der aufgefundenen Disposition war für uns und das beratende Fachgremium klar, daß der Orgelneubau eine Rekonstruktion des Werkes Adam Oehningers zum Ziel haben muß. Da kein Werk des orgelbauenden Franziskanerpaters erhalten geblieben ist, mußte die neue Orgel unter Einbeziehung aller Spuren im Gehäuse nachempfunden werden. Wenige Anhaltspunkte fanden sich im Umfeld seines Lehrmeisters Schleich, ansonsten mußten wir auf bekannte, typische Bauformen jener Zeit zurückgreifen.
Erfreulicher Weise konnte auch die Windanlage mit 6 Keilbälgen rekonstruiert werden. Einige wenige Spuren und Teile des alten Balggehäuses waren an verschiedenen Stellen in der Kirche erhalten geblieben und konnten als Anhaltspunkt dienen. Unsere mittlerweile mehrfach bewährte Aufzugsanlage läßt die Bälge so arbeiten, wie ein Calcant dies manuell tun würde. Ein elektrisches Schleudergebläse ist hierzu nicht erforderlich.
Die nun in der kath. St. Antoniuskirche zu Worbis entstandene Orgel soll die Einheit von Gehäuse und technischem Orgelwerk wieder herstellen, dem Klangkonzept jener Zeit nachspüren und mit ihrer außergewöhnlichen Stimmungsart einen neuen Zugang zur Musik des 17. und frühen 18. Jhd. eröffnen. Wichtigste Aufgabe bleibt jedoch, wie bei jeder Kirchenorgel, im Dienst der Gemeinde das Lob Gottes zu verkünden. Daß dies trotz der spezifischen Besonderheiten ohne Einschränkungen möglich ist, hat nicht nur die historische Orgel Oehningers in zwei Jahrhunderten, sondern mittlerweile auch deren Rekonstruktion bei zahlreichen Gottesdiensten, Wallfahrten und Konzerten bewiesen.
Die Organisten sind nun gefordert, durch geeignete Literaturauswahl und entsprechende Interpretation auch den Hörern die Besonderheiten dieses Instrumentes nahe zu bringen. Hervorragend haben dies Prof. Kapsner und Prof. Silvius von Kessel mit der Einspielung einer CD getan!